Montag, 17. Januar 2011

Wer bin ich wirklich?

Die von mir hoch geschätzte Sängerin und Komponistin Annett Louisan sang für eine (grandios gefloppte) Telenovela auf Pro7: »Wer bin ich wirklich?«. An dieses Lied habe ich mich eben erinnert, als ich ein Posting auf Facebook las.

Als Schwester verliert man sich selbst gern zeitweise einmal. Es gibt so viel zu tun, so vielen Menschen zu helfen, so viel zu beachten. Wenn man dann plötzlich in eine emotional schwierige Situation kommt oder wenn man es übertreibt mit dem Helfen, ohne sich selbst zu pflegen, dann kommt gern einmal der Punkt, an dem man sich fragt, wer man eigentlich wirklich ist.

Die Frage betrifft in erster Linie unsere Identität - und die ist weder mono noch stereo, sondern (gerade heutzutage) Dolby 7.1: wir alle bestehen aus einer Vielzahl von Persönlichkeits-Facetten. Da ist zum Beispiel die »Ich steh meinen Mann«-Identität, die am Arbeitsplatz hochgeholt wird. Da ist die »Ich bin ein Teil meiner Familie«-Identität, wenn man Eltern und Geschwister sieht. Und da ist unsere »Ich bewege mich in Gesellschaft und bin trotzdem cool«-Identität, die aktiv ist, wenn wir beim Bäcker unsere Brötchen kaufen oder im Kaufhaus nach Schlüppern gucken.

Gerade in der Queeren Welt kommen gern mal »Ich hab allein und eh keine Chance, bei den Kerlen/Frauen zu landen«, manchmal auch »Ich bin geil, ich bin geil, ich bin geil« und mitunter »Was mache ich hier eigentlich?«.

Unser Coming Out ermöglicht es uns, eine schwule oder lesbische Identität zu entwickeln - ein Bewusstsein für die eigene emotionale Ausrichtung. Aber damit nicht genug: oft haben wir ein zweites oder gar drittes Coming Out, indem wir eine Fetischvorliebe entdecken (»Ich bin ein Lederkerl«) oder Schwester werden (»Ich will anderen helfen, Freude verbreiten und der Verbreitung stigmatisierender Schuld entgegenwirken ... und mag Glitzer und schlimme Klamotten«).

So viele Facetten unserer Identität. Und manchmal fragt man sich: »Wer bin ich wirklich?«. Dann überlegt man, ob man sich nicht verloren hat in diesem Labyrinth aus Rollen und Persönlichkeiten, in die man täglich schlüpft und die man täglich bedient. Da muss doch ein ursprüngliches, reines Ich sein, das noch unberührt ist von all den verwirrenden und komplexen Identitätsaspekten. Wenn wir das wiederfinden, dann sind wir gerettet und wissen wieder, wo wir hingehören?

Tatsächlich ist es so, dass es dieses »reine Ich« nur tief in uns drin als emotionalen Ur-Kern gibt. Nicht als bewusste Ur-Identität, sondern als Zentrum unseres Da-Seins. Verlieren können wir es selbst überhaupt nicht - und damit sind wir nie verloren. Aber wir können den Kontakt zu ihm verlieren und dann fühlen wir uns verwirrt und verloren.

Indem wir uns selbst pflegen - ob nun durch Meditation oder ein regelmässiges, zweistündiges Schaumbad - halten wir den Kontakt zu unserem Inneren. Dann gehen wir gestärkt durchs Leben und durch all unsere diversen Identitäten.

Manchmal, nur manchmal, denke ich mir ja: »Ich bin ein Star, holt mir hier raus!« ... ob das auch eine meiner Identität ist? ;-)

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